Bäuerliches Leben

LANDWIRTSCHAFT UND TRADITION

Was der Frühling nicht säte, kann der Sommer nicht reifen,

der Herbst nicht reifen, der Wintern nicht genießen.

Allgemeine Entwicklung

Die Landwirtschaft war bis in die zweite Hälfte des letzten Jahrhunderts die vorherrschende Haupterwerbsquelle für viele Leithaprodersdorfer Familien. Dies prägte sowohl das familiäre als auch das soziale und kulturelle Leben sowie das Orts- und Hotterbild der Gemeinde.

Die Anzahl der Betriebe hat jedoch in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts sukzessive abgenommen. Gab es 1950 noch 157 landwirtschaftliche Betriebe, so lag die Zahl 1970 bei 118 Betrieben. Im Jahre 2010 konnten nur mehr 77 Neben- und Vollerwerbsbetriebe gezählt werden.

Grund dafür sind die strukturellen Veränderungen in der Landwirtschaft seit Ende des Zweiten Weltkrieges. Die fortschreitende Mechanisierung, die die bäuerliche Arbeit sehr erleichterte und eine Steigerung und Beschleunigung der Produktion ermöglichte, hat zu großen Veränderungen geführt. Um konkurrenzfähig zu bleiben, war eine Spezialisierung oder Teilspezialisierung der Betriebe notwendig. Viele der am meisten vorkommenden Mittelbetriebe konzentrierten ihre Produktion auf Viehzucht und Feldbau. Der Weinbau, der in Leithaprodersdorf schon sehr lange Tradition hat, ist für einige ebenfalls zu einer wichtigen Einnahmequelle geworden. Viele Klein- und Kleinstbetriebe konnten jedoch wirtschaftlich nicht mehr mithalten und fanden keine Nachfolger mehr.

Die Öffnung des Marktes durch den EU-Beitritt 1995 hat zu einer zusätzlichen Verschärfung der Situation in der Landwirtschaft und zu weiteren Betriebsschließungen geführt.

 

Fortschritte in der Landwirtschaft

Von der eigentlichen Mechanisierung in der Landwirtschaft spricht man erst ab der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Jedoch gab es auch schon davor Erleichterungen durch den Einsatz von neuen Maschinen. Nach dem Ende der Monarchie wurde die Schwelle der Handarbeit überschritten und man ging in die Gespannstufe über. Technische Errungenschaften wie die Dreschmaschine und der Gras- und Bindemäher hielten in der Gemeinde Einzug. Der Elektromotor als Antriebsquelle konnte vorerst nur in der Innenwirtschaft benutzt werden.

Technologische Revolutionen in der Landwirtschaft

Die fortschreitende Mechanisierung in der Landwirtschaft soll exemplarisch an der Entwicklung in der Getreideernte und der Antriebsquellen gezeigt werden:

Aufzeichnungen von Georg Reiter, einem ehemaligen Leithaprodersdorfer Bürgermeister, zeigen, dass die erste Dreschmaschine bereits 1873 in Betrieb genommen wurde. Die erste Dreschmaschine mit Dampfantrieb in Leithaprodersdorf wurde 1904 angekauft. 1908 ging schließlich eine zweite Maschine dieser Art in Betrieb. Eine dritte Dreschmaschine, die bereits mit einem Benzinmotor betrieben wurde, kam zu Beginn der 1930er Jahre zum Einsatz. Die erste Traktor betriebene Dreschmaschine wurde 1935 angekauft. Diese Dreschgarnitur bestand aus Dreschmaschine, Dampflokomotive und Strohpresse. Nach der Saison wurden die Maschinen in sogenannten Dampfhäusern untergestellt. 

Nachdem das Getreide vorerst manuell und in weiterer Folge mit Bindemähern geerntet worden war, wurde es auf den Feldern zur Trocknung gelagert. Der Drusch erfolgte in Fruchtschobern am Anger, da die Maschinen aufgrund ihrer Größe nicht in die Höfe beziehungsweise Scheunen transportiert werden konnten. Das Dreschen zog sich meist bis in den September, wobei für einen Betrieb ein bis zwei Tage benötigt wurden. In der Zwischenkriegszeit erfolgte der Getreidedrusch als Lohnarbeit. Maschinisten oder „Sackler“ wurden gegen Entlohnung angestellt.  In den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg war man aufgrund von Arbeitskräftemangel auf Nachbarschaftshilfe angewiesen.

Mahd und Drusch waren trotz dieser Maschinen noch sehr arbeitsaufwändig und mühselig. Neben den Familienmitgliedern wurden dabei auch betriebsfremde Schnitter (meist aus den Nachbargemeinden) angestellt.

Um die Maschinen finanzieren und effektiv nutzen zu können, wurden Druschgemeinschaften gegründet. In Leithaprodersdorf gab es ursprünglich zwei dieser Gemeinschaften, die jeweils aus zehn bis zwölf Mitgliedern bestanden. Die Mitglieder des „Wastl-Dampfers“ hatten ihr Dampfhaus in der Schulgasse 2, welches 1961 von Familie Fekete, Hauptstraße 1, gekauft wurde. Das Gebäude des „Herrn-Dampfers“ befand sich in der heutigen Hauptstraße 44. Dieses wurde 1965 vom Elektromeister Stefan Pavisits sen. gekauft und anschließend abgerissen. 1952 wurde zwischen dem damals noch bestehenden „Herrn-Dampfer“-Gebäude und dem Arzthaus (heute im Besitz der Familie Müller) ein weiteres Dampfhaus errichtet. Dieses wurde 1958 zu einem Kühlhaus umgebaut und 1983 von Ing. Stefan Pavisits gekauft. Insgesamt gab es nach dem Krieg fünf Dreschmaschinen in Leithaprodersdorf, wie eine Maschinenzählung von 1946 zeigte. Zur Getreideernte wurden in dieser Zeit sechs Bindemäher und 24 weitere, von Pferden gezogene Mähmaschinen eingesetzt.

Die Arbeitsschritte Getreidemahd und -drusch konnten schließlich durch die Entwicklung des Mähdreschers vereint werden. 1957 kam der erste Mähdrescher in Leithaprodersdorf zum Einsatz. Der Höchststand des Mähdrescherbestandes in unserem Dorf wurde 1988 erreicht. In diesem Jahr wurden 44 dieser Getreideerntemaschinen gezählt. In den 1990er Jahren war die Zahl aber wieder rückläufig. Die Mähdrescher wurden technisch weiterentwickelt und dadurch auch immer kostenintensiver. Aus diesem Grund wurden Maschinengemeinschaften gegründet. Auf diese Weise können die teuren Maschinen besser genutzt und ihre Finanzierung aufgeteilt werden.  Heute erfolgt die Ernte in vielen Fällen auch durch externe Lohnunternehmen.

 

Der Traktor als Zugmaschine begann sich erst nach dem Zweiten Weltkrieg zu etablieren.

In Leithaprodersdorf waren schon vor 1945 Traktoren (Fabrikate Stock und Hanomag) im Einsatz. Diese eisenbereiften Traktoren gehörten den Mitgliedern der Druschgemeinschaften und wurden hauptsächlich als Antriebsmaschinen für die Dreschmaschinen verwendet. Die Arbeit auf den Feldern wurde bis Anfang der 1950er Jahre mit Pferden bewältigt, was die noch hohe Anzahl von 201 Pferden im Jahr 1949 beweist.

Der erste luftbereifte Traktor wurde 1952 angekauft und war im Privatbesitz eines Leithaprodersdorfer Landwirts. Diesem Beispiel folgten bald viele Betriebe und so konnten 1957 bereits 58 Traktoren gezählt werden.

Den Landwirten von heute stehen Hightech-Zugmaschinen zur Verfügung. Eingebaute Navigationssyteme ermöglichen sogar einen Betrieb ohne Traktorfahrer.

 

 

Veränderungen der Landschaft durch die Mechanisierung

Der Einsatz der an Größe zunehmenden Arbeitsmaschinen wurde durch kleinstrukturierte Ackerparzellen erschwert. Aus diesem Grund wurden nach dem Zweiten Weltkrieg eine Neueinteilung und Umstrukturierung der Fluren erforderlich.

Die ersten Überlegungen bezüglich einer Kommassierung wurden in Leithaprodersdorf bereits 1954 angestellt. Da das Interesse aber bei zahlreichen Landwirten noch gering war, dauerte es noch fünf Jahre, bis eine Mehrheit dem Unternehmen zustimmte. 1959 wurde schließlich mit der ersten Kommassierung begonnen und 1961 abgeschlossen. Die durchschnittliche Schlaggröße der Felder hatte sich dabei von 0,57 auf 0,98 Hektar erhöht. Auch das Wegenetz auf dem Leithaprodersdorfer Hotter wurde dabei verbessert und ausgebaut.

1967 wurde ein weiterer Antrag auf Kommassierung gestellt. Dabei sollten die im ersten Verfahren nicht miteingeschlossenen Gebiete strukturell verbessert werden. Davon war auch das Weinbaugebiet des Ortes betroffen.

Eine dritte Kommassierung, die von 1999 bis 2003 durchgeführt wurde, sollte schließlich den neuen Anforderungen gerecht werden und eine rationellere Bewirtschaftung ermöglichen. Bei dieser Kommassierung wurden zum ersten Mal auch Maßnahmen zum Schutz und zur Aufrechterhaltung des ökologischen Haushalts umgesetzt.

 

Veränderungen der bäuerlichen Lebenswelt

Der Wandel, der sich durch den Einsatz von Maschinen in der Landwirtschaft ergeben hatte, nahm auch auf den Alltag und die Lebensweise der bäuerlichen Bevölkerung Einfluss. Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts waren die landwirtschaftlichen Betriebe Familienbetriebe. Familien- und Arbeitsleben waren eng miteinander verbunden. Zur Großfamilie gehörten oft auch betriebsfremde Arbeitskräfte wie Tagelöhner oder Gesinde. Jedes Familienmitglied hatte altersentsprechende Funktionen am Hof. Die schulische Ausbildung der Kinder war oft zweitrangig.

Durch den Einsatz von Maschinen konnten schließlich die Produktivität pro Arbeitskraft gesteigert und die Anzahl der benötigten Arbeitskräfte herabgesetzt werden. Die meisten Betriebe werden heute ausschließlich von den Betriebsführern selbst geführt. In seltenen Fällen sind auch die Kinder der Betreiber im Einsatz. Dies hat natürlich auch Auswirkung auf das familiäre Zusammenleben. Arbeitsplatz und Wohnung bilden meist nur mehr für das Betriebsführerehepaar eine Einheit. Haushalte, in denen mehrere Generationen als Großfamilie zusammenleben, sind nur mehr selten zu finden.

Auch der jährliche Arbeitszyklus hat sich enorm verändert. Die Maschinen brachten zwar Erleichterung, aber auch einen erhöhten Leistungsdruck mit sich.

Auch das Leben im Dorf wurde durch die technischen Innovationen in der Landwirtschaft verändert. Bis in die frühen 1950er Jahre wurde das dörfliche Leben in Leithaprodersdorf von einer bäuerlichen Lebensweise bestimmt. Bis auf wenige Handwerker und Arbeiter war die gesamte Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig. So waren 1951 noch 157 der 199 Haushalte landwirtschaftliche Betriebe.

Die wichtigste Stellung in der Dorfhierarchie hatten die „Großbauern“ inne. Ihr Besitz umfasste rund 40 Joch (circa 22,80 Hektar). Diesen folgte die Schicht der Mittel- und Kleinbauern mit einem ungefähren Besitz von 13 bis 20 Joch (circa 6,50 bis 11,50 Hektar) Ackerland. Auf der untersten Stufe der Dorfhierarchie befanden sich die „Kleinhäusler“. Sie besaßen meist ein Stück Land und verdienten sich ihren Lebensunterhalt mit handwerklichen Berufen oder als Tagelöhner.

Neben dem Grundbesitz spielten auch das Ansehen der Familie und die Alteingesessenheit eine große Rolle. Einwohner mit Führungsrollen, wie Bürgermeister, Pfarrer und Lehrer, hatten ebenfalls einen hohen Stellenwert in der dörflichen Gesellschaft.

Diese Hierarchie spiegelte sich auch im Dorfbild wider. So waren die Kleinhäuslerfamilien am Dorfrand angesiedelt, während sich die Bauernhäuser im Ortskern befanden. Die Obere und Untere Hauptstraße wurde deshalb auch als „Bauernstraße“ bezeichnet. Zu den typischen Kleinhäuslersiedlungen zählten die Wald- und Kreuzstraße. So wird berichtet, dass der Pfarrer bei Spendenkollekten der Kirche oft meinte: „Die Bauangossn sui a bissal mea speindn.“

Durch den Rückgang der landwirtschaftlichen Betriebe haben sich Hierarchie und Ortsbild verändert. Die noch vorhandenen landwirtschaftlichen Betriebe sind zwar großteils noch im Ortskern zu finden, jedoch gründen die Nachkommen meist eigene Haushalte in neuen Siedlungen an der Peripherie des Ortes.

 

Quelle: Bauer Birgit: Die Mechanisierung der Landwirtschaft in Österreich seit 1950 unter besonderer Berücksichtigung des Ackerbaus mit dem Beispiel der Gemeinde Leithaprodersdorf. Wien, 2000.

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